Stellungnahme des Verbandes Region Stuttgart
zum Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk und Klärschlammtrocknung (3.400 t/a) auf dem Flurstück Nr. 3917 in Großbottwar – Sauserhof
Sitzungsvorlage Nr. 619/2008zur Beschlussfassung- Öffentliche Sitzung -
----- Original Message
http://www.region-stuttgart.org/vrs/sitzung.jsp?snr=41&sdate=1221602400000&gremium=PLA-----
-> Aus raumordnerischer Sicht bestehen jedoch Bedenken (s. Absatz)
-> Beschlussvorschlag: Biogasanlage JA; Klärschlammtocknung NEIN
Sachvortrag:
Das Landratsamt Ludwigsburg bittet die Region um Stellungnahme zum vorbenannten Antrag. Im Großbottwarer Ortsteil Sauserhof soll ein dort bestehender landwirtschaftlicher Betrieb erweitert werden. Beantragt wird eine Biogasanlage mit 526 kW elektrischer Klemmleistung (elektrische Leistung) sowie eine Anlage zur Klärschlammtrocknung mit 3.400 to Durchsatzleistung pro Jahr, d.h. 9,3 to pro Tag als Nebenanlage zur beantragten Biogasanlage. Ein Gutachten zu den Geruchsimmissionen liegt vor, ein Lärmgutachten wird nachgereicht.
Darstellung der Biogasanlage (auszugsweise):
„In der geplanten Anlage werden nachwachsende Rohstoffe (NAWAROs + Hühnermist) aus landwirtschaftlicher Urproduktion (am Standort) verwertet. Der Hühnermist wird vom eigenen Betrieb der Hofstelle über die Annahmegrube die Vorgrube und in den Fermenter gepumpt. Weiter werden Grass- und Maissilage und Getreide zum Betrieb der Biogasanlage eingesetzt.
Die Biogasanlage wird im kontinuierlichen Durchfluss-Verfahren betrieben. Dieses Verfahren hat den Vorteil einer gleichmäßigen Gasproduktion und eine gute Faulraumauslastung. Die Befüllvorgänge sind automatisierbar. Durch die kompakte Bauweise werden Baukosten und Betriebskosten (Wärmeverluste) minimiert.
Die Anlage verwertet nur NAWAROs und Gülle.
Insgesamt können in der geplanten Anlage jährlich rund 10.950 to NAWAROs und Gülle (Hühnermist) vergärt werden. Der Gülleanteil beläuft sich auf ca. 730 to. Die Rohstoffe werden hauptsächlich mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen (Traktor mit Anhänger / Frontlader) zugeführt. Die tägliche Einbringmenge beläuft sich auf 30,0 to / Tag.
Die Biomasse (Roggen GPS, Maissilage und Sudangras) wird im Fahrsilo konserviert. Das Einbringen der Silage erfolgt zur Erntezeit für jedes Produkt in wenigen Tagen am Stück. Das gesamte Volumen des Fahrsilos ist bis auf den Anschnitt ständig mit Silofolie komplett abgedeckt. Die flüssigen Rohstoffe werden in die Vorgrube eingebracht und von dort mittels Pumpen in den Fermenter eingedrückt.
Die Biogasproduktion erfolgt im mittleren Temperaturbereich zwischen 45° und 50°C. Im Fermentationsbetrieb ist die Sicherstellung von Heizung und Durchmischung wichtig. Die Überwachung dieser Funktion ist Stand der Technik und wird zentral im BHKW-Gebäude gesteuert und überwacht. Sollte eine dieser Funktionen ausfallen, wird der Betreiber per ISDN-Modem unverzüglich per Telefon informiert. Aus dem Endlager wird, wie bei einem Tierhaltungsbetrieb, das ausgegorene Substrat mittels Güllefass auf die Felder ausgebracht.
Die Anlage produziert ca. 5.603 m³ Biogas am Tag. Bei einem Methangehalt von 50 – 56% entspricht das einer Methangaserzeugung von ca. 3.026 m³. Dies entspricht einer Tagesbruttoenergie von ca. 30.260 kW/h und einer Gesamtjahresenergieerzeugung von 11.044.900 kW/h. Das gewonnene Biogas wird zum Betrieb des BHKW mit einer elektrischen Leistung von 526 kW verwendet. Der durch das Aggregat erzeugte Strom wird in das Stromnetz des örtlichen Energieversorgers eingespeist und für den Betreiber mit einem gültigen Satz pro kW vergütet.
Die Gesamtfeuerungswärmeleistung des Aggregates liegt im Normzustand bei 1.301 kW. Der Normzustand geht bei Biogas von einem Methangehalt von ca. 65% aus, was bei NAWARO Anlagen nicht erreicht werden kann. Der Methangehalt des Biogases dieser Anlage liegt bei ca. 50-56%, dem entsprechend verringert sich die Feuerungswärmeleistung.
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gasmotor durch die oben beschriebenen Rahmenbedingungen die Volllast von 526 kW Klemmleistung nur selten, wenn überhaupt erreichen kann. Es ist durchaus möglich, dass je nach Qualität der Einbringstoffe und der daraus resultierenden Gasqualität der Motor mit weniger als 500 kW Klemmleistung läuft. Nach Absprache mit dem Landratsamt Ludwigsburg wird diese Toleranz so akzeptiert. (Hinweis: Nach § 35 Abs.1, Ziffer 6d ist die elektrische Leistung privilegierter Anlagen auf 0,5 MW begrenzt). Im Normzustand betragen die Parameter für die Leistung des Aggregates:
- Gesamtfeuerungswärmeleistung: 1.301 kW
- Elektrische Klemmleistung: 526 kW
- Thermische Leistung: 558 kW
- Verluste / Eigenbedarf. 217 kW
Die Abwärme der Anlage bzw. des Aggregates (ca. 43% der Gesamtfeuerungs-wärmeleistung) wird mittels Fernwärmeleitung zur Wärmeversorgung der Klärschlammtrocknung genutzt. Die Klärschlammtrocknung ist so dimensioniert, dass die gesamte Wärme aus der Biogasanlage abzgl. einer kleinen Anlagensicherheitsreserve abgenommen werden kann.“
Darstellung der Klärschlammtrocknung (auszugsweise):„Mit der Klärschlammtrocknung wird anfallender Klärschlamm getrocknet und für die weitere thermische Verwertung aufbereitet. Der Klärschlamm wird in der Kläranlage auf einen Feststoffgehalt von ca. 20-30% entwässert und konditioniert. Der Klärschlamm, der getrocknet werden soll entspricht folgender Beschreibung:
- keine Verunreinigungen, keine Störstoffe
- keine Kalkkonditionierung oder andere mineralische Zuschlagstoffe
- nur stabilisierte und geruchsarme Schlämme.
Der Klärschlamm entspricht dem Abfallschlüssel 19 08 05.
Der getrocknete Klärschlamm wird thermisch in Zementwerken (z.B. Holcim, Schwenk) verwertet. Die Trocknungsanlage kann im Jahr 3.400 to Klärschlamm trocknen. Die Kapazitäten werden zurzeit noch vergeben / verkauft, damit bei Inbetriebnahme der Anlage eine Vollauslastung gewährleistet werden kann. Die Anlieferung des Klärschlamms erfolgt ca. alle 5-6 Tage. Die Abfuhr der getrockneten Substanz alle 10 Tage mit jeweils einer Fahrt. Der Klärschlamm wird in geschlossenen Mulden á 10 m³ angeliefert. Die Anlieferung erfolgt mittels Lastwagen mit Anhänger. Auf dem Lastwagen wird eine Mulde transportiert, auf dem Anhänger stehen zwei Mulden. Insgesamt werden pro Anlieferungsfuhre somit 3 Mulden angeliefert. Die Mengen werden auf der bestehenden Waage der Biogasanlage gewogen und dokumentiert. Die Zu- und Abfuhr zur Trocknungsanlage an der bestehenden Biogasanlage erfolgt über die Straße
L 1100. Das Anlieferungsfahrzeug wird auf der Hofstelle wenden, sodass nur diese Straße für den Betrieb der Trocknungsanlage benutzt wird. Die belüftete Trocknungsfläche beträgt ca. 180 m². Die Trocknung erfolgt durch die anfallende Abwärme der bestehenden Biogasanlage. Es können maximal 9,3 to pro Tag Klärschlamm getrocknet werden (weniger als die Grenze nach der 4.BimSchV mit 10,0 to / Tag für immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht). Nach der Trocknung des Klärschlamms wird dieser in einem Zementwerk zur Energie- und Rohstoffgewinnung genutzt und damit vollständig verwertet.
Die maximale Trocknung errechnet sich wie folgt:
Auf einen Quadratmeter Trocknungsfläche werden zwischen 95 und 103 kg Klärschlamm in einer Schichthöhe von 12-14 cm aufgebracht. Bei ca. 180 m² Trocknungsfläche sind dies maximal 18.540 kg. Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Höhe die höchste und effektivste Trocknungsleistung ergibt. Der Trocknungszeitraum beträgt exakt 48 Stunden mit Befüllung und Entleerung. Diese Zeit ist zwingend erforderlich um die Anforderungen der Zementwerke erfüllen zu können. Die Trocknungsanlage arbeitet im aeroben Bereich, d.h. mit ständiger Sauerstoffzufuhr. Somit können sich dort keine dauerhaften geruchsintensiven Gase bilden. Die Konstruktion der Anlage ist massiv und wird luftdicht ausgeführt. Die Anlage kann somit im Unterdruck gefahren werden.
Zusätzlich zur Abdeckung des Anlieferungsbunkers mittels Deckel wird die Luft im Lagerbunker in die Trocknungsanlage gezogen und über den Kamin emittiert. Beim Öffnen des Anlieferungsbunkers sind somit keine gesammelten Geruchsstoffe vorhanden.“
Der Standort des Vorhabens ist in Anlage 1 in einem Ausschnitt aus der Raumnutzungskarte des geltenden Regionalplanes gekennzeichnet.
- Anlage 2 zeigt den zwischen Großbottwar und Oberstenfeld liegenden Sauserhof im Luftbild mit der
- Projektion des Vorhabens.
- Anlage 3 zeigt den Lageplan des Vorhabens mit den vorgesehenen Gebäuden und baulichen Anlagen.
Raumordnerische Wertung:
Der Standort der beantragten Anlage liegt nach dem rechtskräftigen Regionalplan in einem Schutzbedürftigen Bereich für Landwirtschaft und Bodenschutz, der nach Plansatz 3.2.0(Z) in seinem landschaftlichen Zusammenhang zu erhalten und von Siedlungsentwicklung freizuhalten ist.
Nach dem aktuellen Fortschreibungsentwurf des Regionalplanes und dessen Raumnutzungskarte liegt der Standort in einem Regionalen Grünzug und in einem Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft. Hinsichtlich des geplanten Regionalen Grünzuges handelt es sich um ein Erfordernis der Raumplanung, das bereits jetzt in der Abwägung zu berücksichtigen ist. Der Standort der beantragten Anlage schließt nordwestlich an die Ortslage Sauserhof an, die nächsten Gebäude liegen ca. 35 m vom Rand der beantragten Anlage entfernt. Da somit zumindest ein isolierter, baulicher Neuansatz in der freien Landschaft vermieden wird, werden regionalplanerische Bedenken wegen der Lage des Vorhabens in einem Schutzbedürftigen Bereich und in einem geplanten Regionalen Grünzug für die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk zurückgestellt. Damit werden zugleich die Kriterien aus § 35 Abs.1, Ziff.6 BauGB hinsichtlich der Zulässigkeit der energetischen Nutzung von Biomasse gewahrt. Die mit der Biogasanlage vorgesehene elektrische Leistung von 526 kW ist im Rahmen der Vorgabe des § 35 BauGB von max. 0,5 MW vertretbar.
Aus raumordnerischer Sicht bestehen jedoch Bedenken
gegen die mit dem Antrag außerdem vorgesehene Klärschlammtrocknung, die als Nebenanlage zur Biogasanlage beantragt wird. Dies ist eine gewerbliche Anlage, wobei der Klärschlamm zugekauft und zugefahren werden soll.
Bei der Klärschlammtrocknung handelt es sich um Biomasse, die nicht aus dem Betrieb des Antragsstellers oder aus nahe gelegenen Landwirtschaftsbetrieben stammt, wobei diese Nutzung bereits § 35 Abs.1, Ziff. 6b BauGB widerspricht. Sie widerspricht ferner dem raumordnerischen Ziel von Plansatz 3.2.0(Z) des rechtskräftigen Regionalplanes und dem Zielgehalt des geplanten Regionalen Grünzuges, wonach auf diesen mit Freiraumzielen belegten Flächen, baulichen Anlagen und versiegelte Flächen allenfalls standortgebundene und gegebenenfalls landwirtschaftlich privilegierte Vorhaben mit den Freiraumzielen vereinbar sind. Aus raumordnerischer Sicht sind Nutzungen zu vermeiden, die keinen Bezug zur Landwirtschaft haben und auch nicht auf den Außenbereich angewiesen sind. Mit der zusätzlich beantragen Klärschlammtrocknung wird aus raumordnerischer Sicht ein Gewerbebetrieb vorgesehen, der keinen Bezug zur Landwirtschaft aufweist und damit auch nicht unter dem Gesichtspunkt des raumordnerischen Freiraumschutzes vertretbar ist. Insbesondere wegen der großen Anzahl landwirtschaftlicher Aussiedlerhöfe in der Region ist aus raumordnerischer Sicht darauf hinzuweisen, dass durch die Zulassung von Anlagen, die keinen Bezug zur Landwirtschaft aufweisen, Präzedenzfälle geschaffen würden, die eine Berufungswirkung auslösen mit der Folge der Zersiedlung des Freiraumes.
Beschlussvorschlag:
„Aus raumordnerischer Sicht werden Bedenken wegen der Lage des Vorhabens in einem Schutzbedürftigen Bereich für Landwirtschaft und Bodenschutz (Plansatz 3.2.0(Z)) des rechtskräftigen Regionalplanes und in einem geplanten Grünzug des Fortschreibungsentwurfes des Regionalplanes für die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk als Bestandteile einer landwirtschaftlichen Nutzung
zurückgestellt, da somit ein isolierter, baulicher Neuansatz in der freien Landschaft vermieden wird.
Bei der beantragten Klärschlammtrocknung handelt es sich um eine gewerbliche Anlage, die keinen Bezug zur landwirtschaftlichen Produktion der Hofanlage hat und die sowohl § 35 Abs.1, Ziff. 6b BauGB als auch Plansatz 3.2.0(Z) des rechtskräftigen Regionalplanes und dem künftigen raumordnerischen Ziel von Plansatz 3.2.1(Z) des Fortschreibungsentwurfes des Regionalplanes widerspricht.
Soweit seitens des Landratsamtes vorgetragen wird, dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Stuttgart vom 16.4.2007 (Az.:11K 1176/06 Klärschlammtrocknungsanlage in Waiblingen; S. Forumsbericht) die Klärschlammtrocknung privilegiert zu werten sei, weisen wir darauf hin, dass auch privilegierte Vorhaben Zielen der Raumordnung nicht entgegenstehen dürfen.
Die raumordnerische Wertung liegt dieser Stellungnahme zugrunde.“
Montag, 8. September 2008
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