Samstag, 6. September 2008

Marbacher Zeitung am Sa. 06.09.2008

"Die Lebensqualität wird eher höher als geringer"
Erteilt der Großbottwarer Stadtrat zur geplanten Biogasanlage kein Einvernehmen, will Martin Föll seinen Rechtsanspruch auf dem Klageweg erwirken

Großbottwar-Sauserhof. Landwirt Martin Föll möchte im Sauserhof eine Biogasanlage mit Klärschlammtrockung bauen. Im Gespräch mit Karin Götz erläutert er das Projekt im Detail und nimmt zu den Protesten Stellung. Der Großbottwarer Gemeinderat wird am 10. September über eine Zustimmung entscheiden. Sollte diese nicht erfolgen, will Föll den Klageweg gehen.

Herr Föll, Ihre Pläne schlagen hohe Wellen. Haben Sie damit gerechnet?
Nein. Ich bin überrascht - besonders über die Aufregung, die vom Gemeinderat ausgeht.
Der Verband Region Stuttgart äußert auch Kritik an der Klärschlammtrocknungsanlage. (Siehe sep. Bericht im Blog)
Mir geht es dabei um den ökologischen Nutzen. Es entsteht Abwärme, die genutzt werden soll. Ich verstehe den VRS nicht. Er stellt sich damit gegen die Ziele der Bundesregierung. Klärschlamm ist als regenerative Energie eingestuft worden. In Waiblingen hat der VRS eine Anlage mit 18 000 Tonnen unterstützt, und hier stellt man sich quer. Seither wurde der Klärschlamm als landwirtschaftlicher Dünger auf die Felder ausgebracht, nach Definition des VRS ist es nun auf einmal kein landwirtschaftliches Gut mehr, das passt nicht.
Würden sie die Biogasanlage auch ohne Klärschlammtrocknung bauen?
Ja.
Auch in der Bevölkerung formiert sich Widerstand.
Das stimmt, aber eigentlich geht dieser nur von zwei Nachbarn aus.
Haben Sie die direkten Nachbarn denn nicht frühzeitig informiert?
Doch, die direkten Nachbarn wurden frühzeitig informiert. Ebenso der Gemeinderat.
Nämlich wann?
Anfang Januar gab es mit den Fraktionsvorsitzenden ein Informationsgespräch, bei dem wir das Projekt vorgestellt haben. Später als wir es uns gewünscht hatten.
Warum später?
Schon im Oktober 2007 hatten wir Bürgermeister Gerhäusser um einen Termin gebeten, an dem wir das Projekt dem Gemeinderat vorstellen können. Aber wir bekamen keinen. Erst auf Ersuchen der Fraktionsvorsitzenden kurz vor Weihnachten klappte ein Termin im Januar, an dem die Verwaltung aber leider nicht teilgenommen hat.
Wie waren die Reaktionen?
Es zeichnete sich damals schon ab, dass nicht jeder der Sache positiv gegenübersteht.
Das heißt, Sie waren vorgewarnt, dass nicht alles glattlaufen würde?
Uns war klar, dass es großen Informationsbedarf geben wird, weil beim Stichwort Biogasanlage viele gleich an Explosionsgefahr und Geruchsbelästigung denken.
Sorgen, die Ihrer Ansicht nach vollkommen unberechtigt sind?
Nicht nur meiner Ansicht nach. Auch der Biogasberater des Landratsamtes hat dies im Rahmen einer nichtöffentlichen Ratssitzung betont.
Wie ging es nach der Sitzung weiter?
Der Gemeinderat schaute sich in der Schweiz genau dieselbe Anlage an, die auch wir bauen wollen, und das Echo der Verwaltung nach dieser Fahrt kam bei mir positiv an. Tenor: Die Ängste sind unberechtigt.
Für Sie ein Zeichen, dass das Projekt weitgehend in trockenen Tüchern ist?
Ja. So gut wie.
Doch die Vorbehalte sind alles andere als aus dem Weg geräumt. Das wird in vielen Leserbriefen in unserer Zeitung deutlich. Vor allem seitens der Nachbarn. Haben Sie nicht mit allen gesprochen?
Nein, das haben wir nicht. Wie gesagt - nur mit den direkten. Denn streng genommen ist es so, dass die Nachbarn im Rahmen des Genehmigungverfahrens aufgrund der eingehaltenen Abstände und der Tatsache, dass es sich hier um eine privilegierte landwirtschaftliche Fläche handelt, nicht angehört werden müssen. Trotzdem wollen wir natürlich mit den Nachbarn gut auskommen.
Bis Anfang Juli wussten Sie nicht, ob Sie das Projekt wirklich umsetzen werden . . .
Wir wollten die Entscheidung des Bundesrates zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abwarten und sind deshalb auch bis dahin nicht so intensiv in die Gespräche mit den Nachbarn eingestiegen. Denn würden die Anlagen nicht weiter gefördert, dann hätte sich die Investition für uns nicht rentiert.
Trotz der Förderung gehen Sie ein nicht gerade kleines betriebswirtschaftliches Risiko ein. Warum?
Das Risiko ist groß, aber vertretbar. Vor zwei Jahren ist der Gedanke im Kreis der Familie gereift. Zum einen, weil wir darin eine Sicherung des Betriebes sehen, neben der Legehennenhaltung ein zweites Standbein zu schaffen. Und zum Zweiten, weil die Proteste über Geruchsbelästigungen beim Ausbringen von Hühnermist als Düngemittel auf den Feldern in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Es gab Beschwerden auf dem Rathaus und auf dem Gewerbeaufsichtsamt.
Sind die Menschen sensibler geworden?
Ich denke schon. Aber diese Erkenntnis hilft uns nicht. Wir müssen nach einer Lösung suchen, denn Ärger mit den Menschen, die ja auch unsere Kunden sind, wollen wir nicht.
Das heißt, durch die Biogasanlage soll die Geruchsbelästigung reduziert werden?
Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder läuft der Mist durch eine Trocknungsanlage, die einen Haufen Strom und Öl frisst, was aber den Dünger nicht wirklich besser, also geruchsärmer, macht. (Hierzu wird noch im Blog berichtet) Der Versuch von uns im Jahr 2000, im Stall Gebläse einzusetzen, das den Mist auf den Bändern schon vortrocknet, brachte nicht den erhofften Erfolg, denn in gewissen Jahreszeiten ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass es trotz Gebläse nicht richtig funktioniert. Also bleibt für uns nur die Option Biogasanlage, die die Emissionen beinahe auf null zurückfährt.
Diese Nachricht kommt aber offensichtlich nicht bei allen an. Groß sind die Ängste vor allem in Sachen Geruchsbelästigung.
Und genau das nervt mich an der Debatte, denn der stechende Ammoniakgeruch fällt weg. Das heißt: Die Lebensqualität im Sauserhof wird eher höher als geringer.
Alle Behälter der Anlage sind verschlossen und absolut gasdicht - sonst wäre die Anlage fehlerhaft.
Kommen wir zu den Keimen ...
Bei der Anlage gibt es keine anderen Keime als die, die jeder andere Milchviehbetrieb auch erzeugt. Auch die Anlage für die Klärschlammtrocknung ist massiv gebaut und hat nur ein zentrales Abluftdach, mit dem man die ganze Abluft filtern kann. Entsprechende Untersuchungen bestehender Anlagen bestätigen, dass keine Keime nach außen dringen.
Stichwort Gutachten. Sie mussten - so eine Forderung des Landratsamtes - ebenfalls welche in Auftrag geben. Liegen die Ergebnisse vor?
Ja. Und zwar für unseren Legehennenbetrieb, die geplante Biogasanlage und die Klärschlammtrocknung. Die Fragestellung lautete: Wie wirken sich die Projekte auf den ganzen Sauserhof aus.
Und wie wirken Sie sich aus?
Schon jetzt liegen wir, was die Emissionen angeht, deutlich unter dem zulässigen Grenzwert, das ändert sich auch mit der Biogasanlage nicht.
Die Menschen befürchten, dass ihr Ackerboden durch Tenside und Schwermetalle verunreinigt wird und dass zum Beispiel alte Obstbäume sterben. Was sagen Sie dazu?
Nach dem Geruchsgutachten und den Messungen, die bei einer baugleichen Anlage durchgeführt wurden, besteht hier kein Risiko oder Nachteil für die Obstbäume oder für das Ackerland. Diese Punkte werden aber auch sehr genau vom Gewerbeaufsichtsamt geprüft und bewertet und müssen nachgewiesen werden. Wenn es hier zu Grenzwertverletzungen nach der TA-Luft kommen würde, müsste die Anlage entsprechend nachgerüstet werden.
In einigen Leserbriefen wurde davon gesprochen, dass Sie unter anderem Nachbarn "bedrängt" haben.
Wir haben niemandem gedroht oder bedrängt. Im Gegenteil, wir haben das Gespräch gesucht und das Projekt zweimal bei einem persönlichen Gespräch vorgestellt und diskutiert. Außerdem möchte ich klarstellen, dass kein Mensch in Großbottwar seine Fläche verkauft oder verpachtet, wenn der Preis nicht stimmt. Gedroht oder bedrängt haben wir auch hier niemanden. Es ist eher so, dass die Leute, die etwas verkaufen oder verpachten wollen, bei uns anfragen.
Vorgeworfen wird Ihnen auch, sich noch im vergangenen Jahr gegen den Flächennutzungsplan der Stadt Großbottwar ausgesprochen zu haben. Unter anderem mit dem Argument, dass gute Böden zugebaut würden. Zur selben Zeit hätten sie aber schon die Anlage geplant ...
Beim geplanten Flächennutzungsplan wären rund 65 Prozent unserer derzeit bewirtschafteten Fläche betroffen gewesen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass wir die Düngeverordnung, die vorschreibt, wie viel Fläche für eine bestimmte Anzahl von Tieren benötigt wird, nicht mehr erfüllt hätten. Die Hühnerhaltung hätte stark reduziert werden müssen. Da wir aber erst 2004 den neuen Freilandstall gebaut haben, war dies eine Existenzbedrohung und hatte nichts mit der Biogasanlage zu tun. Richtig ist, dass wir uns zu dieser Zeit schon Gedanken über die Verwertung des Hühnerkots gemacht haben. Dabei wurde auch die Variante Biogasanlage untersucht, aber ob dies überhaupt realisiert werden könnte, wusste damals noch niemand. Dies hat sich, wie gesagt, erst mit der Novellierung und der Verabschiedung des EEG am 4. Juli ergeben.
Wie sieht es denn mit der befürchteten höheren Verkehrsbelastung aus?
Wir haben eine Zunahme des Verkehrs in der Zeit der Haupternte. An drei bis vier Tagen im September werden vier bis sechs Traktoren in der Stunde die Anlage anfahren. Von den Fahrten gehen zwei Drittel über das Feld aus Richtung Winzerhäuser Tal, lediglich ein Drittel über die Landesstraße 1100.
Kommen wir zum nächsten Punkt: Es wird kritisiert, dass durch die Anlage das Bauernhofidyll verloren geht.
Dazu ist zu sagen, dass die Anlage zu zwei Dritteln im Boden verschwindet.
Der Abluftkamin der Trocknungsanlage ist zwölf Meter hoch und hat einen Durchmesser von einem Meter.
Was entstehen sonst noch für Gebäude?
Es entstehen zwei neue Gebäude: Die Trocknungsanlage ist 7 Meter breit und 35 Meter lang. Das Blockkraftheizwerk ist 17 Meter breit und 20 Meter lang. Die Fahrsilos haben eine Grundfläche von 30 Ar. Das Grundstück ist nachher knapp einen Hektar groß - allerdings nicht ganz überbaut.
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Sie den Sauserhof heimlich aufkaufen?
Wir tätigen Grundstückerwerb wie jeder andere auch in dem Gebiet.
Kommen wir noch einmal zurück zur befürchteten Wertminderung ...
Die ich nicht nachvollziehen kann. Der Sauserhof ist ein landwirtschaftlicher Weiler und in dem Bereich, in dem eine Wertminderung befürchtet wird, dürfen lediglich landwirtschaftliche Betriebe und keine private Wohnhäuser entstehen.
Jetzt sagen ja viele: Gegen die Anlage an sich haben wir nichts, aber nicht an diesem Standort. Gibt es denn für Sie eine Alternative?
Nein. Das gibt es nicht. Wir hatten im Frühjahr 07 einen Termin mit allen Genehmigungsbehörden, bei dem es unter anderem um die Frage ging, an welchem Standort sie eine Anlage genehmigen würden. Zu diesem Zeitpunkt gehörte uns dort noch kein Gelände. Und damals kam man einstimmig zu der Entscheidung: entweder dieses Gelände oder das direkt hinter dem Wohnhaus. Doch da hätte sich der Grunderwerb nicht verwirklichen lassen. Nur bei diesen zwei Grundstücken sind die Vorgaben des privilegierten Bauens für eine Biogasanlage nach Paragraf 35 Baugesetzbuch zu erfüllen.
Und auf dieser Basis haben Sie sich dann an den Grunderwerb gemacht?
Genau.
Was investieren Sie denn in das Vorhaben?
Wir investieren mehrere Millionen Euro, die aber auch Vorteile für die Kommune bringen.
Welche Vorteile denn?
Die Bundesregierung hat die Kommunen aufgefordert, CO2 einzusparen. Die geplante 500- Kilowatt-Anlage ist dazu ein hervorragendes Instrument. Sie spart 4044 Tonnen CO2 im Jahr ein, und das entspricht etwa 26 Millionen gefahrenen Autokilometern im Jahr. Darüber hinaus kostet es die Gemeinden sehr viel Geld, ihren Klärschlamm zu trocknen.
Das heißt, Sie haben schon Gespräche mit den Gemeinden im Umfeld geführt?
Bürgermeister Rosner aus Oberstenfeld hatte ein sehr offenes Ohr. Im Moment wird der Oberstenfelder Klärschlamm noch von einer Spedition in Kraftwerken im Osten verwertet. Vom Großbottwarer Stadtchef haben wir bislang allerdings keine Resonanz.
Wie sieht es denn mit Abnehmern für den Klärschlamm aus?
Die umliegenden Zementfirmen können den Klärschlamm als Brennstoff verwerten und ersetzen so Braunkohlestaub in ihren Hochöfen. Dadurch werden ebenfalls nochmal 1080 Tonnen CO2 eingespart.

Was passiert denn, wenn der Stadtrat nächste Woche Nein sagt. Gibt es für Sie den berühmten Schritt zurück?
Nein. Den Schritt zurück gibt es nicht. Sollte das Gremium sein Einvernehmen nicht erteilen, bleibt uns nur der Klageweg, um unseren Rechtsanspruch durchzusetzen. Und dafür sehe ich gute Chancen, denn erst dieser Tage habe ich vom Landratsamt ein positives Signal bekommen. Aber noch einmal: Wir wollen alles im Guten über die Bühne bringen.
Wie sehen Sie denn die Chancen für ein Ja bei der Gemeinderatssitzung am kommenden Mittwoch?
Das kann ich ehrlich gesagt schlecht einschätzen. Ich stelle mich auf alles ein. Aber wir werden auf jeden Fall vor der Sitzung noch einmal das Gespräch mit den Großbottwarer Stadträten suchen.
06.09.2008

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